Normalerweise kennen Wir einen Begriff und sein Gegenteil, sie sind
streng voneinander zu unterscheiden, so beispielsweise bei der Benennung von
Liebe und seinem Gegenpart dem Hass. Doch die Natur der Dinge verschiebt
sich, und bildet dabei eine höchst ideale Struktur der Gegebenheiten, sodass
sich Dreiecksverhältnisse bilden. Ein solches Dreigestirn bietet die
Bezeichnung der Liebe, der Gleichgültigkeit und des Hasses, dabei kann die
Gleichgültigkeit ebenso wie der Hass das genaue Spiegelbild von Liebe darstellen.
Die Gleichgültigkeit umschreibt den affektlosen Zustand in Bezug auf eine
Sache, also ohne ein jeweiliges Empathiegefühl zu haben, welches der Liebe in
unverkennbarer Weise nahesteht. Die Liebe ist eine mit dem Glücksempfinden
verbundene Emotion, wenn die Liebe seitens des Geliebten erwidert wird. Aber
ist gibt auch Fälle der hoffnungslosen, abgewiesenen Liebe, wobei der
Liebende Kummer, Trostlosigkeit und Elend verspürt. Ihm ist scheinbar nicht
zu helfen, der Liebende ist mit seinen Seelenschmerz auf sich allein
gestellt, und steht vor unüberwindlichen Mauern. Liebe, das ist die Fähigkeit
etwas Positives zu fühlen, die Empathie kennzeichnet den Minimalzustand
gefühlsmäßiger Erregung, als den Keimpunkt der Liebe sozusagen. Aus der
Empathie heraus kann sich Liebe entfalten, indem verstärkt freudige Gefühle
der Umwelt gegenüber ausgestrahlt werden. Bei der Gleichgültigkeit hingegen
fehlt dieses Motiv auf ganzer Linie, die Gleichgültigkeit ist dergestalt
wertneutral, als das Fehlen gefühlsmäßiger Erregung es indifferent erscheinen
lässt. Die Gleichgültigkeit ist in ihrem Bestreben sogar nachlässig,
untendenziös, ausdruckslos und kühl, was auf ihren negativen Charakter
schließen lässt. Der Mangel an Gefühl konstituiert die Gleichgültigkeit
gleichermaßen. Der Hass ist eine negativ behaftete Emotion mit einer
destruktiven Komponente. Die vom Hass Getriebenen sind in ihrer
Zerstörungskraft dermaßen wirksam, dass sie sich von nichts und niemanden von
ihrer befallenen Wut abbringen lassen können. Hass ist wohl das stärkste,
vernichtend geprägte Gefühl. Gleichgültigkeit verglichen mit dem Hass bildet
sekundäre Antagonismen: Gleichgültigkeit als ein Ausdruck der
Emotionslosigkeit, Hass als zerstörerisches Element, stehen sich gleichwohl
nicht strikt diametral gegenüber, so doch nicht im völliger Diskordanz
zueinander. Dass der Hass als destruktiv wirkendes Gefühl, der
sinnstiftenden, belebenden Ausstrahlungskraft der Liebe entgegensteht, bedarf
keiner Erwähnung. Gleichsam reihen sich die Liebe, die Gleichgültigkeit und
der Hass in ein Dreiecksgebilde ein und untermauern schließlich die These,
dass bestimmte Begrifflichkeiten nicht eindimensional betrachtet werden
können. Wir werden nunmehr nach weiteren Beispielen suchen, welche die These belegen
sollen.
Es bietet sich an folgende drei Begriffe, als die zu nennen wären, der
Hochmut, der Gleichmut und die Sanftmut näher ins Auge zu fassen. Der Hochmut
ist eine überdrehte Gefühlsregung, die im Übermaß in einem vorherrscht. Der
Hochmütige ist rücksichtslos in seiner Neigung, und abfällig in seiner
Regung, er nimmt nur ungern fremden Rat an, da er an seine Superiorität
gewissenhaft glaubt, wobei ihm hiergegen vollends das Rückgrat fehlt. Der
Gleichmut ist ebenso neutral, wie die bereits erwähnte Gleichgültigkeit, hierbei
jedoch positiver konnotiert als ihre Vorläuferin. Der Gleichmut ist durch das
Suffix „–mut“ in positiver Weise, als Beispiel für seine Wertschätzung,
herangezogen. Die Sanftmut zeugt von einer liebevollen Ausgeglichenheit und
einer geduldigen Gemütsart. Der Hochmut und die Sanftmut stehen sich
wesensfremd gegenüber, der Gleichmut bildet das Bindeglied zwischen den
beiden Begriffen, somit lässt sich auch hier eine Dreieckskonstellation
konstruieren.
Nun wenden Wir unseren Blick auf den Stolz, die Ehrfurcht und den Übermut
hin. Stolz ist ein hochwürdiges Gefühl eigener Überlegenheit, Ehrfurcht ist
semantisch der Gegenpol dazu, und charakterisiert eine Obacht und
Ehrerbietung gegenüber einem Subjekt, welche dem Stolz fehlen. Der Übermut
ist eine gesteigerte Form des Stolzes, eng verwandt mit dem Hochmut. Im
Vergleich zum Stolz ist der Übermut eine erhöhte Wesensart, die sich an keine
Grenzen hält, und sich überschwänglich verabsolutiert. Die Ehrfurcht hat im
Vergleich zum Stolz ein immanentes Minus, und ist an gewisse Leitmotive
gebunden, welche den Gegenstand der Ehrzuweisung repräsentieren. Dabei stehen
sich der Übermut und die Ehrfurcht diagonal gegenüber, welche zusammen mit
dem Stolz eine Dreieckskonstruktion bilden.
Abschließend werden Wir uns keine sich gegenüberstehenden
Begrifflichkeiten betrachten, sondern Begriffe, die eine explizit
potenzierende Stellung einnehmen, nämlich der Hass, der Neid und die
Missgunst. Über den Hass wurde bereits oben hinlänglich gesprochen, nun
überblicken Wir den Begriff des Neides. Neid zielt in seiner Wesensart auf
eine negative Richtung hin, wobei man nach dem Objekt der Begierde, welches
einer anderen Person zugeschrieben wird, trachtet. Das Objekt braucht nicht
notwendigerweise eine materielle Sache zu sein, in Betracht kommt sowohl eine
charakterliche Eigenschaft. Neid ist dem Hass am Nahesten verwandt, quasi die
Kehrseite des Medaillons. Die Missgunst korreliert mit beiden Begriffen und
nimmt somit eine vermittelnde Stellung ein, sie erwächst aus dem Neid, als
ein Gefühl des Nicht-Gönnens. Der vom Hass Befallene räumt seinem Gegenüber
auch nichts ein, womit der Hass der Missgunst artverwandt wäre. Zusammen
modellieren sie eine gedankliche Einheit, die ein Dreiecksgebilde
hervorbringt.
Wie Wir richtig erkannt haben, entsteht bei den Gegensatzpaaren nunmehr
eine Dreieckskonstruktion, die sich wechselseitig widerspiegelt. Sie kann als
gegensätzlich wahrgenommen werden, aber auch als ergänzend, wiewohl wir es im
letzten Beispiel zu Tage gefördert haben. Dies lässt sich hinreichend anhand
weiterer Beispielen tatsächlich belegen. Ferner kann die Denkweise beliebig
oft nachvollzogen werden, wobei ein Begriff mehrmals verwendet werden kann,
was eine Überschneidung der Termini nach sich zieht. Letztlich entsteht aus
der flächenmäßig eindimensionalen Dreiecksstruktur eine dreidimensionale
Ketten- oder Helixstruktur.
Autor: Michael Rerex
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